Themenbereiche Wirtschaft & Verkehr

Die Erdgasleitungen OPAL und EUGAL im Spannungsfeld von Geopolitik und Energiepolitik

Von Sebastian Kinder – 10/2025

Die Gasleitungen OPAL und EUGAL stehen exemplarisch für die energiepolitische Verflechtung Europas mit Russland – und für den tiefgreifenden Wandel, den die europäische Energiepolitik seit dem Krieg in der Ukraine erlebt. Einst Symbole wirtschaftlicher Effizienz und Partnerschaft, gelten sie heute als Mahnung für die Risiken politischer Abhängigkeit. Ihre Entwicklung verdeutlicht den Übergang Europas von fossiler Kooperation hin zu strategischer Autonomie und nachhaltiger Energieversorgung.

OPAL und EUGAL sind mehr als bloße Infrastrukturprojekte: Sie sind Ausdruck eines energiepolitischen Paradigmas, das Europa in der Vergangenheit geprägt hat – ein Paradigma, das auf wirtschaftlicher Effizienz, Marktintegration und Partnerschaft mit Russland beruhte. Die geopolitischen Umwälzungen der letzten Jahre haben jedoch gezeigt, dass Energiepolitik untrennbar mit außenpolitischer Strategie verbunden ist. In einer Zeit, in der Energie als „Waffe“ eingesetzt wird, stehen Projekte wie OPAL und EUGAL exemplarisch für die Herausforderungen der europäischen Energiepolitik im Spannungsfeld von Versorgungssicherheit, Unabhängigkeit und Solidarität.

Abb. 1: Verlauf der OPAL- und EUGAL-Pipelines von der Ostseeküste bei Lubmin bis zur deutsch-tschechischen Grenze bei Olbernau
Abb. 1: Verlauf der OPAL- und EUGAL-Pipelines von der Ostseeküste bei Lubmin bis zur deutsch-tschechischen Grenze bei Olbernau (GASCADE GASTRANSPORT GMBH (2021))

Die Energieinfrastruktur Europas stand seit dem Beginn des Kriegs in der Ukraine im Zentrum einer sich zuspitzenden geopolitischen Auseinandersetzung, insbesondere im Hinblick auf die Abhängigkeit von russischem Erdgas. In diesem Kontext nehmen die Erdgasleitungen OPAL (Ostsee-Pipeline-Anbindungsleitung) und EUGAL (Europäische Gas-Anbindungsleitung) eine zentrale Rolle ein. Beide Pipelines dienten der Weiterleitung von Gas aus der Nord Stream-Pipeline nach Mittel- und Osteuropa und sind eng mit der europäischen Energie- und Sicherheitspolitik verknüpft (GOLDTHAU u. SITTER 2020).

Die OPAL-Leitung wurde 2011 in Betrieb genommen und verbindet den deutschen Anlandepunkt Lubmin der Nord Stream 1 mit dem südlichen Gasnetz an der deutsch-tschechischen Grenze. Mit einer Kapazität von etwa 36,5 Mrd. m³ jährlich war sie ein bedeutender Bestandteil der russisch-europäischen Energiekooperation (BUNDESNETZAGENTUR 2020).

Die 2021 fertiggestellte EUGAL hingegen ist eine direkte Erweiterung der Nord Stream 2-Pipeline und verläuft weitgehend parallel zur OPAL (vgl. Abb. 1). Mit einer Kapazität von etwa 55 Mrd. m³ pro Jahr wurde sie als Reaktion auf die wachsende Nachfrage nach russischem Gas in Europa gebaut (GASCADE 2021). EUGAL unterstreicht die strategische Rolle Deutschlands als Gastransitland innerhalb der EU.

OPAL und EUGAL stehen sinnbildlich für die energiepolitische Verflechtung Europas mit Russland – eine Verbindung, die spätestens seit der Annexion der Krim 2014 und verstärkt durch den russischen Angriff auf die Ukraine 2022 zunehmend als sicherheitspolitisches Risiko wahrgenommen wird (SMITH STEGEN 2018, SCHOLTEN 2018). Kritiker warfen Deutschland und der EU vor, durch den Bau dieser Leitungen die Abhängigkeit von russischem Gas zu vertiefen und dabei die energiepolitischen Interessen osteuropäischer Mitgliedstaaten wie Polen und der Ukraine zu ignorieren (YOUNGS 2017).

Vor allem OPAL war wiederholt Gegenstand juristischer und politischer Auseinandersetzungen. Die Europäische Kommission und der Europäische Gerichtshof begrenzten zwischenzeitlich den Zugriff von Gazprom auf die vollständige Transportkapazität der OPAL mit Verweis auf die EU-Gasrichtlinie und das Prinzip der Energiesolidarität. Die Debatte um OPAL und EUGAL offenbart einen fundamentalen Zielkonflikt innerhalb der europäischen Energiepolitik: Auf der einen Seite steht das Ziel eines freien, wettbewerbsorientierten Energiemarkts mit effizienter Infrastruktur; auf der anderen Seite rücken Aspekte der Versorgungssicherheit und außenpolitischen Unabhängigkeit immer stärker in den Vordergrund (GOLDTHAU u. SITTER 2015).

Abb. 2: Blick aus östlicher Richtung auf die A 20 mit der OPAL-Bautrasse im Mai 2010, im Hintergrund Baumgarten und Baumgartener See sowie auf der rechten Seite die Anschlussstelle Prenzlau-Ost.
Abb. 2: Blick aus östlicher Richtung auf die A 20 mit der OPAL-Bautrasse im Mai 2010, im Hintergrund Baumgarten und Baumgartener See sowie auf der rechten Seite die Anschlussstelle Prenzlau-Ost. (Foto: Norbert Schlaak)
Abb. 3: Verlegung der Leitungsröhren
Abb. 3: Verlegung der Leitungsröhren (Foto: Olaf Juschus)

Empfohlene Zitierweise

Sebastian Kinder: “Die Erdgasleitungen OPAL und EUGAL im Spannungsfeld von Geopolitik und Energiepolitik” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/82_b_124-erdgasleitungen-opal-eugal-spannungsfeld-geo-und-energiepolitik/, Stand 09.10.2025

Quellen und weiterführende Literatur

  • BUNDESNETZAGENTUR (2020): OPAL Pipeline. Online: www.bundesnetzagentur.de, letzter Zugriff: 31. Juli 2025.
  • GASCADE GASTRANSPORT GMBH (2021): EUGAL – Eine Pipeline für Europa. Online: www.gascade.de, letzter Zugriff: 31. Juli 2025.
  • GOLDTHAU, Andreas u. Nick SITTER (2015): A Liberal Actor in a Realist World: The European Union Regulatory State and the Global Political Economy of Energy. – Oxford.
  • GOLDTHAU, Andreas u. Nick SITTER (2020): Power, authority and security: The EU’s Russian gas dilemma, in: Journal of European Integration 421, S.111–127.
  • SCHOLTEN, Daniel (Hg., 2018): The Geopolitics of Renewables. – Cham.
  • SMITH STEGEN, Karen (2018): Redrawing the Geopolitical Map: International Relations and Renewable Energies, in: D. SCHOLTEN (Hg.): The Geopolitics of Renewables. – Cham, S.75–96.
  • YOUNGS, Richard (2017): Europe’s Eastern Crisis: The geopolitics of asymmetry. – Cambridge.

Bildnachweise

  • Titelbild und Vorschaubild: OPAL- Baustelle bei Gellmersdorf mit ca. 3m tiefem Graben und 20m Bautrasse (Foto: Olaf Juschus 2010)