Der Bernauer Heerweg

Von Uwe Michas – 12/2020

Nur wenige Zeugnisse haben die acht Jahrhunderte überdauert, die seit der deutschen Kolonisierung des Barnim vergangen sind. Dazu gehören einige Kirchen aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, die wenigen Urkunden aus dieser Zeit, ein paar Funde und Befunde aus archäologischen Grabungen. Dazu gehören aber auch Namen, von Siedlungen, Fluren oder Straßen – so zum Beispiel die Straßenbezeichnung „Alter Bernauer Heerweg“ südlich des Dorfes Lübars im Berliner Bezirk Reinickendorf.

Abb. 1: Alter Bernauer Heerweg nahe der Kreuzung zur Hobrechtsfelder Chaussee, November 2012
Abb. 1: Alter Bernauer Heerweg nahe der Kreuzung zur Hobrechtsfelder Chaussee, November 2012 (Foto: Frank Liebke)

Dieser Heerweg, der von Spandau nach Bernau führte und noch im Jahr 1785 erwähnt wird, hat seine Wurzeln tief in der Brandenburgischen Geschichte. Er geht zurück auf die Zeit, als die askanischen Markgrafen das Land eroberten und erschlossen. Dazu wurden auch bereits vorhandene Handels- und Verbindungswege der Slawen genutzt und ausgebaut. Mit der Eroberung von Brandenburg an der Havel am 11. Juni 1157 fiel das gesamte Havelland in die Hände des askanischen Markgrafen Albrecht des Bären, der sich ab diesem Zeitpunkt Markgraf von Brandenburg nannte.

Zu diesem Gebiet gehörte auch Spandau, wo unmittelbar am Zusammenfluss von Spree und Havel eine Burg erbaut und eine Stadt gegründet wurde. Spandau war schon zu slawischer Zeit ein wichtiger militärischer und handelspolitischer Knotenpunkt.

Abb. 2: Blick auf den Haupteingang an der Südseite der Zitadelle Spandau. Die Burg Spandau war bereits im 12. Jahrhundert Ausgangspunkt für Eroberungszüge in Richtung Odermündung. Das in den Jahren 1559 bis 1594 an Stelle der mittelalterlichen Burg errichtete Festungsbauwerk liegt heute nordöstlich der Spandauer Altstadt im Berliner Ortsteil Haselhorst. Diese Burg bildete für Jahrhunderte den Ausgangspunkt für Truppenbewegungen auf der Heerstraße nach Bernau sowie weiter nach Oderberg und Stettin. Heute ist die Zitadelle Spandau eine der bedeutendsten und besterhaltenen Festungen der Hochrenaissance in Europa.
Abb. 2: Blick auf den Haupteingang an der Südseite der Zitadelle Spandau. Die Burg Spandau war bereits im 12. Jahrhundert Ausgangspunkt für Eroberungszüge in Richtung Odermündung. Das in den Jahren 1559 bis 1594 an Stelle der mittelalterlichen Burg errichtete Festungsbauwerk liegt heute nordöstlich der Spandauer Altstadt im Berliner Ortsteil Haselhorst. Diese Burg bildete für Jahrhunderte den Ausgangspunkt für Truppenbewegungen auf der Heerstraße nach Bernau sowie weiter nach Oderberg und Stettin. Heute ist die Zitadelle Spandau eine der bedeutendsten und besterhaltenen Festungen der Hochrenaissance in Europa. (Foto: Peter Gärtner, 2021)

Die Burg Spandau wurde zum Ausgangspunkt der weiteren Eroberungszüge der Askanier in Richtung Odermündung. In der Folge wurden Siedler angeworben, große Waldgebiete gerodet sowie Städte und Dörfer angelegt. So entstanden im ersten Drittel des 13. Jahrhunderts neben Städten wie Berlin oder Bernau auch die großen Anger -und Straßendörfer wie beispielsweise Pankow, Karow, Schönerlinde und Buch.

Der Landesausbau erforderte den militärischen Schutz der eroberten Gebiete. Auch war es im Kriegsfalle, der fast jedes Jahr eintrat, wichtig, Truppen schnell von einem Gebiet in ein anderes zu verlegen. So wurden neben den üblichen Verbindungswegen zwischen den Dörfern auch Straßen benötigt, auf denen Soldaten schnell vorankamen und nach einem Tagesmarsch einen Ort zur Übernachtung und Versorgung vorfanden.

Der Bernauer Heerweg war eine solche Straße. Im Vergleich zum ursprünglichen Weg entlang von Havel und Finow war der direkte Landweg von Spandau über den Barnim zur Oder eine erhebliche Abkürzung. Ein wichtiger Hinweis auf die Entstehungszeit dieser Heerstraße ist ihr Ausgangspunkt Spandau. Bis weit in das 13. Jahrhundert hinein war Spandau für die askanischen Markgrafen der zentrale Ort für die gesamte Mittelmark.

Abb. 3: Kartenausschnitt des alten Bernauer Heerweges von Blankenfelde nach Bernau
Abb. 3: Kartenausschnitt des alten Bernauer Heerweges von Blankenfelde nach Bernau (Kiesslings Große Spezialkarte der Umgebung von Berlin, 1:75.000, Staatsbibliothek zu Berlin, Kartenabteilung 8° Kart. N 3924 [1888], Ausschnitt)

Anhand alter Karten und der natürlichen Gegebenheiten lässt sich der Bernauer Heerweg rekonstruieren. Von Spandau verlief er zunächst nach Norden, etwa an der heutigen Bernauer Straße entlang des Tegeler Sees. Die Straße bog dann Richtung Dalldorf (Wittenau) ab und verlief südlich Lübars direkt nach Blankenfelde.
Der Heerweg vermied so die breite Niederung des Tegeler Fließes. Die nächste Etappe war Schönerlinde. Zwischen Blankenfelde und Schönerlinde musste der Weg mehrere große Niederungen umgehen. Auf historischen Karten werden sie als „Fenn-Buchte“ und „Upstall“ bezeichnet; ursprünglich haben sie das gesamte Gebiet zwischen dem heutigen Französisch-Buchholz und Schönerlinde ausgefüllt. Sie gehörten zum Einzugsgebiet der Panke. Der Bernauer Heerweg passte sich der durch die Eiszeit geformten Landschaft an und umging jene Niederungen, Seen und Bachläufe, die einer Truppe das Vorankommen erschwert hätten.
Von Schönerlinde ging der Weg in einem Bogen durch die Buchsche Heide nach Schönow. Der Verlauf der Heerstraße entspricht damit in etwa dem bis heute erhaltenen gleichnamigen Bernauer Heerweg, der unmittelbar westlich von Hobrechtsfelde durch die ehemaligen Rieselfelder führt. In der Mitte des 19. Jahrhunderts befand sich hier das erwähnte Waldgebiet. Von der alten Buchschen Heide ist der südliche Teil als Bucher Forst noch heute erhalten. Von Schönow war es nur noch ein Katzensprung bis Bernau und dort wurde die Niederung überschritten, in der die Panke entspringt.

Die Entfernung von Spandau über den Heerweg nach Bernau beläuft sich auf etwa 35 km und entsprach damit einem Tagesmarsch. Auf dem Heerweg konnten die markgräflichen Truppen schnell und trockenen Fußes vorankommen, obwohl die Straßen damals eher Feldwegen glichen. Die wasserreiche Gegend versorgte aber auch während des Marsches Mann und Pferd mit Wasser. Außerdem hatten die zahlreichen Niederungen (bei vielfach ungeklärten Herrschaftsverhältnissen in der Frühzeit der Mark) den Vorteil, dass es für eventuelle Gegner schwierig war, sich der Heerstraße zu nähern.
In Bernau, das um 1230 gegründet wurde, konnte dann übernachtet werden. Der Heerweg führte anschließend weiter über Grüntal, Niederfinow und Oderberg bis nach Stettin. Ab dem Jahr 1317 führte dieser Weg auf markgräfliche Anordnung über Eberswalde.

Abb. 4: Bernauer Heerweg an der Kreuzung zum Gorinseeweg, westlich von Hobrechtsfelde
Abb. 4: Bernauer Heerweg an der Kreuzung zum Gorinseeweg, westlich von Hobrechtsfelde (Foto: Andreas Schulze)

Der Bernauer Heerweg verlor durch den Aufstieg Berlins seine Bedeutung, blieb aber noch lange erhalten. Berlin wurde vor allem ein Knotenpunkt für märkische, aber auch internationale Handelsstraßen. Durch das nördliche Stadttor führte die Straße in das Odergebiet. Militärisch blieb Spandau bis in die Neuzeit für die Mark Brandenburg ein wichtiger Ort.

Der Alte Bernauer Heerweg ist ein Zeugnis aus vergangenen, sogar vergessenen Zeiten. Trotz der zahlreichen Veränderungen in den letzten 800 Jahren ist mit den Überresten dieser Straßen ein wichtiger Teil unserer Geschichte erhalten geblieben. Heute bildet der Abschnitt des Alten Bernauer Heerweges zwischen Schönerlinde und Schönow eine wichtige Ost-West-Verbindung für Erholungssuchende und Besucher der Rieselfeldlandschaft Hobrechtsfelde.


Empfohlene Zitierweise

Uwe Michas: “Der Bernauer Heerweg” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/80_b_151-bernauer-heerweg/, Stand 07.12.2020

Quellen und weiterführende Literatur

  • GRUBER, Anja: Der Alte Bernauer Heerweg. – Berlin.
  • HERRMANN, Joachim (1989): Der Barnim und Berlins Weg zum baltischen Meer am Ende 12. und in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts, in: Engel, Evamaria (Hg.): Hansische Stadtgeschichte – Brandenburgische Landesgeschichte. Festschrift für Eckhard Müller-Mertens zum 65. Geburtstag (= Hansische Studien 8; Abhandlungen zur Handels- und Sozialgeschichte 26). – Weimar, S. 29–40.
  • HOPPE, Willy (1965): Die Mark Brandenburg, Wettin und Magdeburg. Ausgewählte Aufsätze. – Köln u.a.
  • KIESSLINGS Grosse Spezial-Karte der Umgebung von Berlin, bearbeitet und gezeichnet von Gustav Müller - Berlin 1888.
  • MUNDT, Hans (1932): Die Heer- und Handelsstraßen der Mark Brandenburg vom Zeitalter der ostdeutschen Kolonisation bis zum Ende des 18. Jahrhunderts. – Berlin.
  • SCHULTZE, Johannes (1961): Die Mark Brandenburg, Band 1. – Berlin.
  • Der Autor dankt Herrn Wilhelm Draeger, Panketal, für seine Unterstützung durch verschiedene Manuskripte und Literaturhinweise.

Bildnachweise

  • Titelbild: Der alte Bernauer Heerweg von Blankenfelde nach Bernau auf Kiesslings Karte (Quelle: Kiesslings Große Spezialkarte der Umgebung von Berlin, 1:75.000, Staatsbibliothek zu Berlin, Kartenabteilung 8° Kart. N 3924, 1888)
  • Vorschaubild: Alter Bernauer Heerweg nahe der Kreuzung zur Hobrechtsfelder Chaussee, November 2012 (Foto: Frank Liebke)