Themenbereiche Siedlung & Bevölkerung

Bevölkerungsentwicklung im Eichsfeld

Von Gerold Wucherpfennig, Bettina Preuße, Bernhard Schauer – 11/2018

Als ländlich geprägter Raum ist auch das Eichsfeld mit den typischen demografischen Veränderungsprozessen der Bevölkerungsabnahme in Deutschland und Mitteleuropa konfrontiert. Die höchste Rückkehrerquote Deutschlands und eine vergleichsweise hohe Geburtenrate mindern diese Entwicklung im Eichsfeld etwas ab. Die in den letzten zwei Jahrzehnten realisierten verkehrsinfrastrukturellen Erschließungsmaßnahmen, wie der Bau der A 38 und die Modernisierung des Schienennetzes sowie die prosperierende Wirtschaft insbesondere im produzierenden Gewerbe, dürften das demografische Entwicklungspotenzial dieser Traditionslandschaft in der Mitte Deutschlands im Dreieck der Oberzentren Göttingen, Kassel und Erfurt allerdings erhöhen.

Im Zeitraum von 1871 bis 1939 konnte Deutschland trotz zwischenzeitlicher Kriegs- und Nachkriegszeiten mit Wirtschaftskrisen aufgrund der industriellen Entwicklung, des technologischen und medizinischen Fortschritts sowie der Verbesserungen in der Ernährung und der ärztlichen Grundversorgung ein sehr großes Bevölkerungswachstum von 69 % verzeichnen. Das Eichsfeld partizipierte von diesem demografischen Entwicklungsprozess jedoch weitaus weniger. Es gab hier keine großen Industrieansiedlungen und sonstigen wesentlichen Agglomerationen, die Zuwanderung hätten auslösen können. Vielmehr mussten einheimische Arbeitskräfte als Wanderarbeiter tätig sein oder gänzlich ab- oder auswandern. Folglich hatte das Eichsfeld nur einen vergleichsweise geringen Bevölkerungszuwachs von rund 120.000 auf 144.000 (19,6 %). Demgegenüber verdoppelten bzw. verdreifachten die Städte Heiligenstadt, Duderstadt und Dingelstädt nahezu ihre Einwohnerzahlen.

Eine deutliche Steigerung der Bevölkerungsentwicklung im Eichsfeld gab es von 1939 bis 1950. Die Einwohnerzahl erhöhte sich von ca. 144.000 auf ca. 180.000 (25 %). Wesentlicher Grund hierfür war die Vertreibung der Deutschen aus den ehemaligen Ostgebieten nach dem Zweiten Weltkrieg und deren Ansiedlung auch im Eichsfeld.

Nach 1950 bis zur Wiedervereinigung Deutschlands 1990 gingen die Bevölkerungszahlen in der geteilten Region von rund 180.000 auf 168.000 zurück (-7,0 %). Im niedersächsischen Teil des Eichsfelds betrug der Rückgang 5,6 % und im thüringischen 7,4 %. Maßgeblich hierfür waren die periphere Lage entlang der ehemaligen innerdeutschen Grenze und die damit verbundenen negativen infrastrukturellen Begleiterscheinungen. Im Vergleich dazu gab es in der Bundesrepublik Deutschland einen Zuwachs von 21,3 % und in der DDR einen Rückgang von 15 %.

Im Zeitraum 1990 bis 2015 stieg die Bevölkerung in Deutschland vergleichsweise nur gering um 3 %. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Ballungsräume und Oberzentren generell einen Zuwachs und die ländlichen Räume – insbesondere die in Ostdeutschland – erhebliche Bevölkerungsrückgänge zu verzeichnen hatten. So sank auch im Eichsfeld die Bevölkerungszahl von rund 168.000 auf 154.000 (-8,4 %). Während im niedersächsischen Teil der Rückgang 4,1 % betrug, belief er sich im thüringischen auf 9,5 %.

Zusammenfassend ist festzustellen, dass das Eichsfeld analog zu anderen ländlichen Räumen in Deutschland ebenfalls stark vom demografischen Wandel betroffen ist. Trotz der höchsten Geburtenrate in Thüringen und der höchsten Rückkehrerquote Deutschlands ist die Zahl der Geburten noch zu gering sowie die vorwiegend studien- und ausbildungsbedingte Abwanderung von jungen Frauen und Männern in die Großstädte bzw. Hochschulstandorte zu groß, um stabile Bevölkerungszahlen zu erreichen. Die Folgen der demografischen Entwicklung sind auch im Eichsfeld eine älterwerdende und zahlenmäßig abnehmende Bevölkerung. Dieser grundsätzliche, für ländliche Räume typische Veränderungsprozess wird und muss in den kommenden Jahren ein zentrales Thema von Politik, Raumordnung und Landesplanung sein, um diese Regionen vor vermeidbaren infrastrukturellen Standortnachteilen zu schützen und die dortige Lebens- und Wohnqualität zu erhalten.


Empfohlene Zitierweise

Gerold Wucherpfennig, Bettina Preuße, Bernhard Schauer: “Bevölkerungsentwicklung im Eichsfeld” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/themen/79_b_121-einwohnerentwicklung-eichsfeld/, Stand 29.11.2018

Quellen und weiterführende Literatur

  • Datengrundlage sind die Zahlenangaben der Landesämter für Statistik Thüringen und Niedersachsen sowie der Meldeämter der Kommunen in Thüringen und Niedersachsen Statistische Bundesamt: Statistisches Jahrbuch 2011
  • Topographisch-statistisches Handbuch des preußischen Staats (1858). – Magdeburg und Leipzig.
  • MEINCKE, Helga (1985): Das nördliche Eichsfeld – Gegenwärtige Strukturen und Entwicklungsperspektiven. In: Das Eichsfeld. Schriftenreihe der Niedersächsischen Landeszentrale für politische Bildung. – Hannover.
  • Städte im Vergleich - Perspektiven der Mittelzentren des IHK-Bezirkes Erfurt vor dem Hintergrund der demografischen Entwicklung. Industrie- und Handelskammer Erfurt 2018, S. 22
  • http://aktuell.nationalatlas.de/rueckwanderung-4_05-2017-0-html/

Bildnachweise

  • Vorschau- und Titelbild: Männerwallfahrt im Klüschen Hagis Foto: Gerold Wucherpfennig (2017)