Naturschutz im Nördlichen Auenwald
Von Andreas Berkner – 06/2015
Der Nördliche Auenwald ist Bestandteil des „grünen Bandes“ entlang von Weißer Elster, Pleiße und Nebenflüssen, das sich mit wechselnder Breite von Süden nach Nordwesten durch das Stadtgebiet von Leipzig zieht. Die unmittelbare Nachbarschaft von urbanen Bereichen und Naturrefugien ist für eine Stadt dieser Größenordnung in Mitteleuropa einzigartig. Typisch für die Auenwaldlandschaft ist das nicht immer konfliktfreie Nebeneinander von ökologischen (Artenschutz, Hochwasserrückhalt) und Erholungsfunktion.
Der Nördliche Auenwald ist Bestandteil eines Naturrefugiums mit rund 5900 ha Gesamtfläche zwischen Zwenkau südlich von Leipzig und der Mündung der Weißen Elster in die Saale, von denen ca. 3000 ha auf das unmittelbare Stadtgebiet entfallen. Seine Breite schwankt zwischen 3 und 4 km, wobei das Auenwaldband lediglich in den das Stadtzentrum tangierenden Bereichen beiderseits des Elsterbeckens eine Unterbrechung aufweist.
Das Leipziger Auensystem als Alleinstellungsmerkmal in Mitteleuropa verfügt über einen herausgehobenen naturschutzfachlichen Wert, was seinen Ausdruck in der bereits seit 1922 erfolgten Ausweisung mehrerer sich teilweise überlagernder großer Schutzgebiete fand: - Landschaftsschutzgebiet (LSG) Leipziger Auwald (5900 ha, Gesamtfläche 1998 erfasst), + Flora-Fauna-Habitat-Gebiet (FFH) Leipziger Auensystem (2825 ha, seit 2004), - Europäisches Vogelschutzgebiet (SPA) Leipziger Auwald (4952 ha, seit 2006), + Naturschutzgebiet (NSG) Luppeaue (598 ha, heutiger Umgriff seit 2000), - Naturschutzgebiet (NSG) Burgaue (270 ha, seit 1998), + Naturschutzgebiet (NSG) Elster-Pleiße-Auwald (66 ha, seit 1961), - Naturschutzgebiet (NSG) Lehmlache Lauer (49 ha, seit 1999).
Der Auenwald zählt unter anderem mit 1000 Pilz- und 750 höheren Pflanzenarten, 42 Säugetier-, 17 Amphibien- und Reptilienarten, 17 Fischarten und 105 Brutvogelarten sowie, 32 Libellen-, 173 holzbewohnenden Käfer- sowie rund 360 Großschmetterlingsarten, darunter zahlreiche aus der Roten Liste, zu den artenreichsten Lebensräumen in Deutschland. Während der Südliche Auenwald durch die Auswirkungen des Braunkohlenbergbaus (Tagebaue Zwenkau und Cospuden) gebietsweise überbaggert bzw. durch großflächige Grundwasserabsenkungswirkungen beeinträchtigt wurde, bietet der Nördliche Auenwald noch ein vergleichsweise kompaktes Landschaftsbild.
Die Ausprägung des Auensystems in seinen heutigen Grundzügen begann in der Weichselkaltzeit vor ca. 100.000 Jahren mit der Ablagerung von Kiesen und Sanden in teilweise bereits im Elster- und Saaleglazial angelegten Talformen von Saale bzw. Mulde, die zeitweise über Leipzig verliefen. Eine weitere landschaftsprägende Zäsur bildeten die holozänen Auenlehmablagerungen (Mächtigkeit verbreitet 1,5–3 m) seit etwa 7500 Jahren in einem engen Kontext zu siedlungsbedingten Rodungen in den Flusseinzugsgebieten.
Für die frühe Entwicklung von Siedlung und Kulturlandschaft stellte der Auenwald entlang der Weißen Elster zwischen Stahmeln und Schkeuditz einen Gunstfaktor dar. Er ermöglichte Lehmgewinnung, z.B. in den Papitzer Lehmlachen, ließ sich für Fischteiche, Bienenzucht und Forstwirtschaft nutzen und fungierte gleichzeitig als Barriere für Straßen und Wege durch die sumpfigen Niederungen. Weitere signifikante Nutzungseinflüsse bildeten die sich seit dem 18. Jahrhundert etablierende Naherholung sowie die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert begonnenen Hochwasserregulierungen mit Flutrinnen und Eindeichungen, die die natürliche Dynamik der regelmäßigen Überschwemmungen und Sedimentablagerungen unterbrachen und in der Folge gebietsweise zu Austrocknungen führten.
Nach 1990 begannen Renaturierungsmaßnahmen, die sich auf den Waldumbau (Entfernung nicht einheimischer Gehölze und Aufforstung typischer Auenwaldbäume, wie Stieleichen, Eschen, Bergahorn, Feldulme) sowie gezielte Wiedervernässungsmaßnahmen mit Schwerpunkt westliche Aue (Burgauenbach) konzentrieren.
Der Nördliche Auenwald im Bereich der Elster-Luppe-Aue zwischen Leipzig und Schkeuditz ist durch seine besondere Strukturvielfalt und ein verzweigtes Fließgewässersystem mit Weißer Elster, Alter und Neuer Luppe als Leitlinien geprägt und nur durch zwei Straßenverbindungen durchschnitten. Das Naturschutzgebiet der Burgaue vermittelt noch einen weitgehend authentischen Eindruck der gewachsenen Kulturlandschaft. Abschnittsweise konnte hier die früher verbreitete Mittelwaldwirtschaft mit zwei Baumschichten, von denen die untere ca. alle 30 Jahre zur Brennholzgewinnung genutzt wurde, seit 1998 neu belebt werden. Am „Kilometerweg“ nahe der Gustav-Esche-Straße betreiben die Universität Leipzig und das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ Leipzig seit 2001 unter Verwendung eines Krans ein gemeinsames Projekt zu waldökologischen Forschungen mit Schwerpunkt Baumkronen.