Waldsiedlung Wandlitz - Stelenrundgang

Von Elke Kimmel – 12/2020

In Wandlitz wurden ab 1958 insgesamt 23 Häuser errichtet, in denen ab Sommer 1960 die DDR-Machtelite, die Mitglieder und Kandidaten des Politbüros des ZK der SED und ihre Angehörigen wohnten. Die Verwaltung des Komplexes lag in den Händen des Ministeriums für Staatssicherheit der DDR (MfS). Das Ministerium schirmte die Siedlung nach außen ab, sodass die Anwohner unter sich blieben. Die Abschottung führte dazu, dass die Gerüchte über den Luxus in „Volvograd“ ins Absurde wuchsen und den Unmut in der Bevölkerung weiter wachsen ließen. Mit welchen Privilegien die Mitgliedschaft im Politbüro tatsächlich verbunden war, kam erst im Zuge des politischen Umbruchs in der DDR im Herbst 1989 ans Licht.

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Station 1: Wache am Eingangstor zum Innenring, 1960-1989 zur Kartenansicht >>

(Zufahrt zur Brandenburg Klinik)

Die Waldsiedlung Wandlitz war streng von der Außenwelt abgeschirmt. Ihr Gelände durfte nur mit Sondergenehmigungen betreten werden, welche von Mitarbeitern der Hauptabteilung Personenschutz des MfS kontrolliert wurden. Den Innenring, in dem die Funktionäre lebten, umgab eine Betonmauer und das gesamte Sperrgebiet wurde vom Wachregiment der Staatssicherheit bewacht.

Abb. 1: Anweisung von Erich Mielke, 18. Dezember 1984
Abb. 1: Anweisung von Erich Mielke, 18. Dezember 1984 (Quelle: BStU)

Soweit möglich, sollten die Politbüromitglieder vor Belästigungen und Unannehmlichkeiten geschützt werden. Dazu gehörte auch, dass die Protokollstrecke zum Beispiel von LKW-Transporten frei gehalten wurde – auch die Nationale Volksarmee war angewiesen, diese Routen zu vermeiden. Der Minister für Staatssicherheit Erich Mielke regelte solche Angelegenheiten häufig persönlich.

Abb. 2: Funktionärshäuser in der Waldsiedlung, November 1989
Abb. 2: Funktionärshäuser in der Waldsiedlung, November 1989 (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1989-1130-405/Fotograf: Hubert Link)
Abb. 3: Funktionärshäuser in der Waldsiedlung, November 1989
Abb. 3: Funktionärshäuser in der Waldsiedlung, November 1989 (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1989-1130-421/Fotograf: Hubert Link)

Im Herbst 1989 wurde die Öffnung der Waldsiedlung erzwungen, sodass am 23. November DDR-Journalisten erstmals die Wohnanlage besichtigen konnten. Auf ihrem Rundgang bekamen sie eine kurz zuvor von der Verwaltung veränderte Situation zu sehen. So war das Angebot des Ladenkombinats stark reduziert worden und die Medienvertreter fanden nicht die erwarteten Luxusartikel. Dennoch lösten die Berichte breite Empörung aus und besiegelten das Ende der SED. Wenig später wurde zudem bekannt, dass Anfang November 1989 mehrere LKW-Ladungen an Waren aus der Waldsiedlung nach Bohnsdorf gebracht worden waren.

Die ersten in den DDR-Medien veröffentlichten Fotos aus der Waldsiedlung zeigen eine parkähnliche und weitläufige Anlage. Die nach einem Grundtyp variierten Funktionärshäuser wirkten gleichförmig und eher trist.

Abb. 4: Porträt Heinz Gläske, 1950er Jahre
Abb. 4: Porträt Heinz Gläske, 1950er Jahre (Quelle: IRS Erkner, Wissenschaftliche Sammlungen, B_2-0178)

Die Leitung des Sonderbaustabs 10, der die Siedlung in den Jahren 1958 bis 1960 errichtete, oblag dem Architekten Heinz Gläske. Er beaufsichtigte nicht nur den Bau der Funktionärshäuser, sondern auch die künstlerische Ausgestaltung der Siedlung. In den parkartigen Anlagen wurden zahlreiche Skulpturen von namhaften Künstlern wie Waldemar Grzimek, Heinrich Drake, Fritz Cremer, Lore Plietzsch, Gustav Weidanz und anderen aufgestellt.

Abb. 5: Entwurfszeichnung für die Torpfeiler an den Funktionärshäusern, 1959
Abb. 5: Entwurfszeichnung für die Torpfeiler an den Funktionärshäusern, 1959 (Quelle: BStU)

Die Eingangsbereiche der Wohnhäuser in der Waldsiedlung waren mit Variationen dieses Pfeilers gestaltet. Darin waren Briefkasten und Klingelanlage untergebracht. Die Natursteine finden sich auch an den Sockeln der Gebäude wieder.

Station 2: Funktionärsclub (F-Club) zur Kartenansicht >>

(Haus Barnim)

Abb. 6: Schwimmbad im Funktionärsclub, 23. November 1989
Abb. 6: Schwimmbad im Funktionärsclub, 23. November 1989 (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1989-1123-032/Fotograf: Peter Zimmermann)
Abb. 7: Ruhebereich im Funktionärsclub, 30. November 1989
Abb. 7: Ruhebereich im Funktionärsclub, 30. November 1989 (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1989-1130-423/Fotograf: Hubert Link)

Als 1960 die ersten Politbüromitglieder in die Waldsiedlung zogen, wurde auch ein Klubhaus für sie eröffnet. Der sogenannte F-Club besaß ein eigenes Restaurant und einen Kinosaal. Die dazugehörige Schwimmhalle wurde 1962 fertiggestellt. Die Kellner und Köche des Clubs sorgten für das leibliche Wohl der Funktionäre, die hier zu Vorzugspreisen bewirtet wurden.

Auch das Warenangebot im Ladenkombinat, der Verkaufseinrichtung der Siedlung, war stark subventioniert. Vieles stammte aus dem Westen, denn die Ansprüche der Funktionäre und ihrer Familien waren hoch.

1989 waren in der Waldsiedlung allein 650 MfS-Mitarbeiter zur Betreuung der Funktionäre abgestellt. Besonderen Unmut lösten in der Bevölkerung Privilegien und Sonderversorgung der Funktionäre aus, was der Waldsiedlung Bezeichnungen wie Bonzenhausen einbrachte.

Station 3: Wohnhaus von Otto Grotewohl, 1963-1964 zur Kartenansicht >>

Parkallee 4 (ehemals Haus 21)

Abb. 8: Staatspräsident Wilhelm Pieck (l.) und Ministerpräsident Otto Grotewohl kurz nach der Gründung der DDR
Abb. 8: Staatspräsident Wilhelm Pieck (l.) und Ministerpräsident Otto Grotewohl kurz nach der Gründung der DDR (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-19000-3301/Zentralbild/Foto: Zühlsdorf)

Der ehemalige Kommunist Wilhelm Pieck und der ehemalige Sozialdemokrat Otto Grotewohl standen mit ihren Lebensläufen nicht nur für den antifaschistischen Gründungsmythos der DDR – ihr Handschlag sollte auch die künftige Einheit der beiden Arbeiterparteien symbolisieren.

Otto Grotewohl war 1960 nominell einer der mächtigsten Männer in der DDR. Gegen erhebliche Widerstände in der Sozialdemokratischen Partei hatte er 1946 die Vereinigung mit der Kommunistischen Partei zur SED durchgesetzt. Als Ministerpräsident leitete er von 1949 bis zu seinem Tod 1964 die Regierungsgeschäfte. Aber schon während der 1950er Jahre verlagerte sich das Machtzentrum der DDR immer stärker aus den Ministerien in die SED-Führung. Bei seinem Umzug in die Waldsiedlung war Grotewohl bereits schwer krank. Öffentliche Auftritte übernahm meist sein Stellvertreter Willi Stoph.

Das Haus 21 in der Waldsiedlung wurde ursprünglich für den Präsidenten der DDR Wilhelm Pieck gebaut, der aber 1960 schon zu schwach für einen Umzug war. So wurde das Gebäude bereits kurz nach seiner Fertigstellung 1961 umgebaut und den Vorstellungen Grotewohls angepasst, wozu eine aufwendige Innenausstattung gehörte. Grotewohl gefiel auch die Randlage des Hauses, in dessen Nähe sich das Wildgehege der Siedlung befand. Nach Grotewohls Tod am 21. September 1964 in Berlin bezog Hermann Axen das Haus und lebte dort bis 1990.

Abb. 9: Eine Gruppe Kunstschaffender unter der Leitung von Intendant Walther Felsenstein überbringt Glückwünsche
Abb. 9: Eine Gruppe Kunstschaffender unter der Leitung von Intendant Walther Felsenstein überbringt Glückwünsche (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-C0316-0013-011/Zentralbild/Foto: Quaschinsky/16. März 1964)

Die Aufnahme zeigt Gratulanten – Künstler und Künstlerinnen – anlässlich von Grotewohls 70. Geburtstag am 11. März 1964 im Haus des Ministerrates. Die enge Verbindung des Ministerpräsidenten zu den Kulturschaffenden und Intellektuellen in der DDR wurde demonstrativ auf zahlreichen Fotos festgehalten.

Station 4: Wohnhaus von Willi Stoph, 1965-1989/90 zur Kartenansicht >>

Bussardweg 1 (ehemals Haus 1)

Abb. 10: Willi Stoph und Walter Ulbricht im Juli 1968
Abb. 10: Willi Stoph und Walter Ulbricht im Juli 1968 (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-G0726-0206-001/Zentralbild/Foto: Junge/26.7.1968)

Diese Aufnahme vom Juli 1968 zeigt Ministerpräsident Willi Stoph direkt an der Seite des mächtigsten Mannes im Staat Walter Ulbricht. Unter dessen Nachfolger Erich Honecker verlor Stoph deutlich an politischem Einfluss. Als Willi Stoph nach der Niederschlagung des Aufstandes vom 17. Juni 1953 Mitglied des SED-Politbüros wurde, trug er als Innenminister der DDR bereits die Verantwortung für die bewaffneten Kräfte der DDR. 1964 folgte er Otto Grotewohl auf dem Posten des Vorsitzenden des Ministerrats. Weiten Kreisen bekannt wurde Stoph 1970 durch seine Treffen mit Bundeskanzler Willy Brandt in Erfurt und Kassel.

Nach dem Tod von Walter Ulbricht wurde er 1973 Staatsoberhaupt der DDR bis Erich Honecker die Ämter des Parteivorsitzenden und des Staatsoberhaupts wieder in seiner Person vereinte. Stoph musste sich erneut mit dem politisch zweitrangigen Posten an der Spitze des Ministerrats begnügen und zog sich zunehmend ins Privatleben zurück. Am 18. Oktober 1989 war er es, der Erich Honecker in der entscheidenden Politbürositzung zum Rücktritt aufforderte.

Abb. 11: Erfurter Bürger vor dem Eingang des Interhotels Erfurter Hof
Abb. 11: Erfurter Bürger vor dem Eingang des Interhotels Erfurter Hof (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-J0319-0001-010/Zentralbild/Foto: Link)
Abb. 12: Willi Stoph empfängt Willy Brandt auf dem Erfurter Bahnhof
Abb. 12: Willi Stoph empfängt Willy Brandt auf dem Erfurter Bahnhof (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-J0319-0010-002/Zentralbild/Foto: Horst Sturm)
Abb. 13: Offizielle Gespräche in Erfurt zwischen Stoph und Brandt
Abb. 13: Offizielle Gespräche in Erfurt zwischen Stoph und Brandt (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-J0319-1001-001/Zentralbild/Foto: Heinz Junge)

Willi Stoph auf dem Höhepunkt seiner Macht: Im März 1970 empfängt er als Ministerpräsident der DDR Bundeskanzler Willy Brandt zu politischen Gesprächen in der DDR. Die Aufnahmen zeigen die Ankunft Brandts in Erfurt, dem die vor dem Hotel Erfurter Hof versammelte Menschenmenge einen begeisterten Empfang bereitete, sowie einen Blick in das Innere des Konferenzsaals.

Stoph lebte mit seiner Familie von 1960 bis zum Ende der DDR in der Waldsiedlung. Daneben nutzte er ab 1971 das sehr gut ausgestattete Freizeitobjekt in Birkenheide an der Müritz. Hier besaß er ein eigenes Jagdrevier und ging seiner kosten- und personalaufwendigen Leidenschaft als Hobbygärtner nach.

Station 5: Wohnhaus von Egon Krenz, 1980-1989 zur Kartenansicht >>

Bussardweg 4 (ehemals Haus 4)

Abb. 14: Egon Krenz in der Volkskammer nach seiner Wahl zum Vorsitzenden des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der DDR
Abb. 14: Egon Krenz in der Volkskammer nach seiner Wahl zum Vorsitzenden des Staatsrates und des Nationalen Verteidigungsrates der DDR (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1989-1024-400/Zentralbild/Foto: Klaus Franke/24.10.1989)

Egon Krenz wurde im November 1983 als Vollmitglied in das SED-Politbüro berufen. Dort nahm er als Sekretär des Zentralkomitees für Sicherheits- und Staatsfragen, Jugend und Sport eine Schlüsselposition ein. Daneben gehörte er dem Nationalen Verteidigungsrat, dem sicherheitspolitischen Führungszentrum der DDR, an. Seine politische Karriere hatte in den 1950er Jahren in der Freien Deutschen Jugend begonnen und ab 1973 gehörte der Jugendfunktionär dem Zentralkomitee der SED an. Im Politbüro galt Krenz als ein möglicher Nachfolger von Erich Honecker.

Abb. 15: In Moskau wird Egon Krenz von Michail Gorbatschow empfangen.
Abb. 15: In Moskau wird Egon Krenz von Michail Gorbatschow empfangen. (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1989-1101-019/ADN ZB/Foto: Rainer Mittelstädt/1.11.1989)

Als Egon Krenz am 18. Oktober 1989 Nachfolger Erich Honeckers an der Spitze der SED wurde, führte ihn eine seiner ersten Reisen im neuen Amt nach Moskau, zu Michail Gorbatschow.

Abb. 16: Während seines Rückfluges von Moskau nach Berlin gab Krenz dem Reporter Jan Carpentier ein Interview.
Abb. 16: Während seines Rückfluges von Moskau nach Berlin gab Krenz dem Reporter Jan Carpentier ein Interview. (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1989-1101-036/ADN Zentralbild/Foto: Rainer Mittelstädt/1.11.1989)

Demonstrativ versuchte er sich auch in einer neuen Offenheit gegenüber den Medien, wie hier in einem Interview mit Jan Carpentier vom Jugendmagazin Elf99. Aber viele DDR-Bürger zweifelten an der Aufrichtigkeit seines Reformwillens. Zu lebendig waren noch die Erinnerungen an seine lobenden Worte für die blutige Niederschlagung der chinesischen Demonstrationen wenige Wochen zuvor.

Ab 1980 wohnte Krenz mit seiner Familie im Haus Nummer 4, in dem bis 1978 Werner Lamberz gelebt hatte. Mitte November 1989 verließ Krenz, nunmehr Generalsekretär des ZK der SED und Staatsratsvorsitzender, die Waldsiedlung. Seinen Umzug nach Berlin-Pankow inszenierte er publikumswirksam.

Wenig später musste Krenz seine politischen Ämter aufgeben: Bei großen Teilen der Bevölkerung und vielen SED-Mitgliedern stieß seine Politik der „Wende“ auf Ablehnung.

Station 6: Ladenkombinat, 1960-1989 zur Kartenansicht >>

(Haus Berlin)

Zu den Privilegien der SED-Spitzenfunktionäre gehörte schon in den 1950er Jahren eine besondere Versorgung mit Waren und Dienstleistungen. Mit dem Umzug in die Waldsiedlung 1960 wurde dieses System weiter ausgebaut und von immer mehr Personal rund um die Uhr gewährleistet. Das Ladenkombinat, die Verkaufseinrichtung für die Mitglieder des SED-Politbüros und ihre Familien, hielt anfänglich ein gehobenes Angebot an DDR-Waren bereit. Immer häufiger verlangten die Bewohner der Waldsiedlung jedoch nach importierten Waren aus dem Westen, die eigens mit Devisen beschafft wurden. Die Funktionäre bezahlten mit Mark der DDR. Um besondere Wünsche wie Unterhaltungselektronik und teure Geländewagen für die Jagd kümmerte sich die Abteilung Kommerzielle Koordinierung der Staatssicherheit.

Abb. 17: Schreiben des Leiters der Hauptabteilung Personenschutz Günter Wolf an Erich Mielke, 21. Oktober 1986
Abb. 17: Schreiben des Leiters der Hauptabteilung Personenschutz Günter Wolf an Erich Mielke, 21. Oktober 1986 (Quelle: BStU)

Alle Bestellungen aus dem Westen, die als Sonderwünsche beim Personal des Ladenkombinats abgegeben wurden, landeten zur Bewilligung auf dem Schreibtisch von Erich Mielke.

Abb. 18: Devisenausgaben für die Versorgung der Politbüromitglieder, 1980 bis 1989
Abb. 18: Devisenausgaben für die Versorgung der Politbüromitglieder, 1980 bis 1989 (Quelle: BStU, Grafik: Thomas Kamm)

Die zahlreichen Gerüchte über das Luxusleben der SED-Führung sorgten angesichts der alltäglichen Versorgungsengpässe in der DDR für wachsenden Unmut in der Bevölkerung. Bis 1989 stiegen die Ausgaben für die Sonderversorgung der Politbüromitglieder auf 8,6 Millionen DM. Das Ausmaß der Privilegien wurde erst nach dem Ende der DDR bekannt.

Abb. 19: Obst- und Gemüseregal im Ladenkombinat, November 1989
Abb. 19: Obst- und Gemüseregal im Ladenkombinat, November 1989 (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1989-1130-409/Foto: Hubert Link)
Abb. 20: Neben dem normalen Angebot gab es eine Fülle von hochwertigen importierten Waren, die der Bevölkerung nicht zur Verfügung standen
Abb. 20: Neben dem normalen Angebot gab es eine Fülle von hochwertigen importierten Waren, die der Bevölkerung nicht zur Verfügung standen (Quelle: Bundesarchiv Bild 183-1989-1130-412/Foto: Hubert Link)
Abb. 21: Aufnahme vom Warenangebot des Ladenkombinats
Abb. 21: Aufnahme vom Warenangebot des Ladenkombinats (Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1989-1130-414/Foto: Hubert Link)

Die Fotos zeigen das bereinigte Sortiment nach den Anweisungen vom 7. November 1989.

Station 7: Wohnhaus von Margot und Erich Honecker, 1960-1989/90 zur Kartenansicht >>

Habichtweg 5 (ehemals Haus 11)

Erich Honecker wohnte ab 1960 mit seiner Frau Margot und Tochter Sonja hier. Seit 1950 war er Kandidat des Politbüros und 1958 wurde er Vollmitglied. Er war im Zentralkomitee (ZK) der SED für Sicherheit und damit auch für den Mauerbau 1961 verantwortlich. Seine Karriere hatte in der Freien Deutschen Jugend begonnen.

Nach Walter Ulbrichts Sturz 1971 wurde er Erster Sekretär des ZK und stieg an die Spitze auf. Mit seiner Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik hat er die DDR geprägt, aber auch zu ihrem wirtschaftlichen Niedergang beigetragen. Als Staatsmann warb er um internationale Anerkennung. Margot Honecker war ab 1963 Volksbildungsministerin der DDR.

Abb. 22: Erich Honecker und der sowjetische Generalsekretär Leonid Breschnew bei einem Jagdausflug in den 1960er Jahren
Abb. 22: Erich Honecker und der sowjetische Generalsekretär Leonid Breschnew bei einem Jagdausflug in den 1960er Jahren (Quelle: BStU)
Abb. 23: Erich Honecker mit dem sowjetischen Botschafter Pjotr Abrassimow während eines Jagdausflugs in den 1970er Jahren
Abb. 23: Erich Honecker mit dem sowjetischen Botschafter Pjotr Abrassimow während eines Jagdausflugs in den 1970er Jahren (Quelle: BStU)

Breschnew und Honecker verband eine intensive Jagdleidenschaft, die eine Freundschaft begründete. Derartige Ausflüge dienten auch zur Vorbereitung politischer Manöver.

Am 18. Oktober 1989 wurde Honecker zum Rücktritt gezwungen. Er verblieb in der Waldsiedlung, stand aber dort ab Dezember unter Hausarrest.

Station 8: Wohnhaus von Lotte und Walter Ulbricht, 1960-1973 zur Kartenansicht >>

Habichtweg 1 (ehemaliges Haus 7)

Walter Ulbricht stieg zum mächtigsten Politiker der 1949 gegründeten DDR auf. Er wurde 1950 Erster Sekretär des Zentralkomitees der SED und stand dem Politbüro vor. Nach dem Tod von Wilhelm Pieck 1960 wurde er auch Staatsoberhaupt. Sein Kurs des beschleunigten Aufbaus des Sozialismus stieß in den 1950er Jahren auf Widerstand, allerdings konnte er seine Macht gegen Kritiker behaupten. Der Versuch indes, den Sozialismus durch Wirtschaftsreformen zu modernisieren, scheiterte.

Ab 1960 lebten er und seine Frau Lotte in der Waldsiedlung, deren Lage der Sportler Ulbricht besonders schätzte. 1971 zwang das Politbüro Ulbricht zum Rückzug aus seinem Amt. Als Staatsratsvorsitzender durfte er aber bis zu seinem Tod im August 1973 hier wohnen. Seine Witwe zog 1973 in das Pankower Regierungsviertel zurück. Danach wohnte Gerhard Schürer, der Chef der Staatlichen Plankommission, im Haus 7.

Abb. 24: Ausflug des Politbüros zum 75. Geburtstag von Walter Ulbricht, 1968
Abb. 24: Ausflug des Politbüros zum 75. Geburtstag von Walter Ulbricht, 1968 (Quelle: BStU)
Abb. 25: Tontaubenschießen auf der Feier zum 75. Geburtstag Ulbrichts
Abb. 25: Tontaubenschießen auf der Feier zum 75. Geburtstag Ulbrichts (Quelle: BStU)

Walter Ulbricht schätzte gemeinsame Unternehmungen der SED-Führungsspitze – insbesondere, wenn sie mit sportlichen Aktivitäten verbunden waren. Auf diesem Ausflug anlässlich seines 75. Geburtstags gehörte das Tontaubenschießen zu den Höhepunkten. Anders als die jüngeren Politiker um Erich Honecker, Erich Mielke und Günter Mittag ging Ulbricht nicht gern auf die Jagd.

Abb. 26: Gratulationskur des Politbüros zu Walter Ulbrichts 79. Geburtstag, 1972, hier Erich Honecker. Klicken Sie auf das erste Bild, um weitere Fotos zu sehen.
Abb. 26: Gratulationskur des Politbüros zu Walter Ulbrichts 79. Geburtstag, 1972, hier Erich Honecker. Klicken Sie auf das erste Bild, um weitere Fotos zu sehen. (Quelle: BStU)

Die Gratulanten zum 79. Geburtstag – allen voran der Erste Sekretär Erich Honecker – werden von einem sichtlich gealterten Walter Ulbricht in dessen Wohnräumen empfangen.

Station 9: Wohnhaus von Erich Mielke, 1960-1989 zur Kartenansicht >>

Eichelhäherweg 1 (ehemals Haus 14 und 14 a)

Erich Mielke, der Minister für Staatssicherheit der DDR, wohnte ab 1960 mit seiner Familie in der Waldsiedlung, obwohl er erst 1971 Kandidat des Politbüros und 1974 auch Vollmitglied wurde. Sein Ministerium war jedoch für die Verwaltung der Siedlung zuständig, sodass Mielke sich häufig selbst um die Belange der Sonderversorgung kümmerte und für Ordnung und Sicherheit in der Siedlung sorgte.

1950 war er von der Volkspolizei ins neu gegründete Ministerium für Staatssicherheit (MfS) gewechselt und hatte sieben Jahre später dessen Leitung übernommen. Er baute den Sicherheitsapparat erheblich aus, sodass Kontrolle und Überwachung der DDR-Bevölkerung immer größere Ausmaße annahmen. Jegliche Opposition ließ er verfolgen.

Abb. 27: Jagdgesellschaft, 1970er Jahre
Abb. 27: Jagdgesellschaft, 1970er Jahre (Quelle: BStU)

Das Foto zeigt eine Reihe der besonders leidenschaftlichen Jäger unter den höchsten SED-Funktionären (von links nach rechts): Erich Mielke im hellen Mantel, Günter Mittag, der Verantwortliche für Wirtschaftsfragen, Paul Verner, den sowjetischen Botschafter Pjotr Abrassimow, Erich Honecker mit seiner Tochter Sonja, eine unbekannte Person und Hermann Axen.

Abb. 28: Hochzeit von Erich Mielkes Sohn Frank im MfS-Gästehaus Schloss Dammsmühle, Juli 1974
Abb. 28: Hochzeit von Erich Mielkes Sohn Frank im MfS-Gästehaus Schloss Dammsmühle, Juli 1974 (Quelle: BStU)
Abb. 29: Hochzeit von Erich Mielkes Sohn Frank im MfS-Gästehaus Schloss Dammsmühle, Juli 1974
Abb. 29: Hochzeit von Erich Mielkes Sohn Frank im MfS-Gästehaus Schloss Dammsmühle, Juli 1974 (Quelle: BStU)
Abb. 30: Hochzeit von Erich Mielkes Sohn Frank im MfS-Gästehaus Schloss Dammsmühle, Juli 1974
Abb. 30: Hochzeit von Erich Mielkes Sohn Frank im MfS-Gästehaus Schloss Dammsmühle, Juli 1974 (Quelle: BStU)

Erich Mielke hatte im Gegensatz zu den meisten anderen Politbüromitgliedern kein eigenes Freizeitobjekt. Aber er war der alleinige Nutzer des MfS-eigenen Schlosses Wolletz und auch andere Stasi-Immobilien standen für ihn zur privaten Nutzung zur Verfügung. Ein Beispiel dafür ist die Hochzeitsfeier seines Sohnes auf Schloss Dammsmühle.

Seine legendäre Rede in der Volkskammer am 13. November 1989 besiegelte sein politisches Ende. Er wurde im Dezember 1989 in seinem Wohnhaus verhaftet.

Station 10: Wohnhaus von Konrad Naumann, 1976-1986 zur Kartenansicht >>

Eichelhäherweg 3 (ehemals Haus 16)

Als Erster Sekretär der Berliner SED-Bezirksleitung besaß Konrad Naumann eine wichtige Stellung im Machtapparat. Seine Laufbahn hatte in der Freien Deutschen Jugend begonnen. Erich Honecker nahm ihn ins Politbüro auf: 1973 als Kandidat und 1976 als Vollmitglied. Naumann zog in die Waldsiedlung und zusätzlich wurde für ihn eine großzügige Villa am Parsteiner See gebaut. Vor ihm hatten Hermann Axen und Georg Ewald im Haus 16 gewohnt.

Naumann gab sich stets als zupackender Funktionär mit gutem Draht zu Arbeitern und kritisch gegenüber Intellektuellen, die er immer wieder scharf attackierte. Er sah sich als Kronprinz Honeckers. In der SED-Führung stießen sein Auftreten und sein Lebenswandel zunehmend auf Kritik.

Am 5. November 1985 schloss ihn das Politbüro aus. Naumann verlor seine Ämter und die damit verbundenen Privilegien und musste die Waldsiedlung verlassen.

Abb. 31: Entlassungsgesuch von Konrad Naumann an Erich Honecker, 6. November 1985
Abb. 31: Entlassungsgesuch von Konrad Naumann an Erich Honecker, 6. November 1985 (Quelle: Bundesarchiv DY 30/IV 2/1/642, Bl. 4 und 23)

Konrad Naumann kam mit diesem Schreiben der Anordnung des Politbüros vom Vortag nach – wie in diesen Fällen üblich schob er gesundheitliche Gründe vor.

Abb. 32: Schreiben Konrad Naumanns an Erich Honecker, 7. November 1985
Abb. 32: Schreiben Konrad Naumanns an Erich Honecker, 7. November 1985 (Quelle: Bundesarchiv DY 30/IV 2/1/642, Bl. 4 und 23)

Ergänzend zu seinem offiziellen Entlassungsgesuch verschickte Naumann einen Tag später ein persönlich gehaltenes Schreiben an den „lieben Erich“. Er gab darin seiner Verzweiflung über die Absetzung Ausdruck.

Das Ende der Waldsiedlung, 1989 / 90

Der politische Umbruch in der DDR im Herbst 1989 besiegelte auch das Ende der Waldsiedlung. Die Kritik an den Privilegien der SED-Führung und deren Abschottung vom Volk wurde immer lauter. Der Name Wandlitz wurde zum Symbol für einen Politik- und Lebensstil, der weit von den Alltagsproblemen der DDR entfernt war.

Die Öffentlichkeit verlangte nun von der neuen SED-Führung unter Egon Krenz, die Situation in der Waldsiedlung offen zu legen. Am 19. November 1989 versuchte ein Team des Jugendmagazins elf99 über das Innenleben der Siedlung zu berichten, allerdings ohne Erfolg. Kurz darauf gewährte die SED-Führung ausgewählten DDR-Journalisten einen inszenierten Rundgang durch die Wohnanlage und ein leer stehendes Funktionärshaus. Die elf99-Reportage und die Presseberichte darüber lösten eine Welle der Empörung aus. Immer neue Fälle von Privilegien und Machtmissbrauch wurden publik. Am 14. Dezember 1989 beschloss die Regierung Modrow die Auflösung der Waldsiedlung und die Übergabe des Areals an das Gesundheitswesen. Bereits im Februar 1990 eröffnete dort eine Rehabilitationsklinik. Zuvor waren Tausende auf das Gelände geströmt, um die sogenannte Bonzensiedlung in Augenschein zu nehmen.

Abb. 33: Schreiben an die Redaktion der Zeitung Der Morgen, 13.12.1989
Abb. 33: Schreiben an die Redaktion der Zeitung Der Morgen, 13.12.1989 (Quelle: Bundesarchiv DA 1 / 16368, Bl. 105 f. (anonymisiert))
Abb. 34: Schreiben an die Redaktion der Zeitung Der Morgen, 13.12.1989
Abb. 34: Schreiben an die Redaktion der Zeitung Der Morgen, 13.12.1989 (Quelle: Bundesarchiv DA 1 / 16368, Bl. 105 f. (anonymisiert))

Der Verfasser dieses Schreibens gibt sich als SED-Mitglied und MfS-Mitarbeiter zu erkennen – eine grundlegende Aufarbeitung der Regierungsverbrechen erwartet er aber nicht mehr von den alten Kräften. Gerade der innere Zerfall der SED, in der sich nach dem Bekanntwerden zahlreicher Fälle von Korruption und Machtmissbrauch viele Mitglieder und Funktionsträger enttäuscht von der Führung abkehrten, führte zum raschen Zusammenbruch des SED-Regimes.


Empfohlene Zitierweise

Elke Kimmel: “Waldsiedlung Wandlitz - Stelenrundgang” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/exkursionen/80_e_520-waldsiedlung-wandlitz/, Stand 07.12.2020

Quellen und weiterführende Literatur

  • DANYEL, Jürgen und Elke KIMMEL (2016): Waldsiedlung Wandlitz. Eine Landschaft der Macht - Berlin.

Bildnachweise

  • Titelbild: Eingangstor zum Innenring der Waldsiedlung, Foto: Peter Gärtner, 2021
  • Vorschaubild: Bodenkarte der Waldsiedlung, Quelle: BStU