Stötteritz – Sanierung und Neugestaltung
Von Luise Grundmann – 06/2015
Ergebnisse des Stadtumbaus nach 1990 können bei einer Exkursion durch Stötteritz registriert werden. Beispiele sind die Umgestaltung von Fabrikgebäuden in der Melscher Straße zu einem „Medienhof“ oder auch im Sanierungsgebiet „Alte Ortslage Stötteritz“. Hier erfolgte u.a. die Aufwertung der gründerzeitlichen Wohnquartiere, die Sanierung des einstigen Rittergutsbezirks und der Marienkirche und die Umwandlung von Industriebrachen zum Ortsteilzentrum an der Holzhäuser Straße.
Kartenüberblick Exkursion: Stötteritz – Sanierung und Neugestaltung Kartenausschnitt zurücksetzen
Einleitung
Vom Stadtzentrum steigt das Gelände nach Südosten allmählich an und erreicht am Stötteritzer Wasserturm seine höchste Stelle. Stötteritz hat Anteil am Grünflächengürtel des Leipziger Ostens, der von Anger-Crottendorf, Mölkau, Holzhausen bis zum Freizeitpark Südost in Probstheida reicht. Noch heute werden Teile der Ortsteilfläche als Erholungs-, Wald- und landwirtschaftliche Flächen genutzt. An der Grenze zwischen Stötteritz und Holzhausen fließt die Östliche Rietzschke im ursprünglichen Bachbett in der noch unbebauten Auenlandschaft.
Seit dem 16. Jahrhundert sind für Stötteritz zwei Rittergüter “Gut oberen Teils” und “Gut unteren Teils” belegt, um die sich mehrere Straßenzüge mit kleinen Gütern (Straßenhäusern) zu einem Mehrfachstraßendorf mit einem Unterdorf und dem etwas höhergelegenen Oberdorf ausformten, getrennt durch die heutige Oberdorfstraße (Kirchstraße). In diesen Dörfern wohnten schon seit der Mitte des 18. Jahrhunderts keine Bauern mehr, sondern Häusler, Gärtner und Tagelöhner. Im 18./ 19. Jahrhundert dominierte in Stötteritz der Anbau von Tabak, der getrocknet und in einer Tabaksmühle verarbeitet wurde. Der Ort wurde daher auch als das Tabaksdorf bezeichnet. Zeitweise betrieb das Gut auch den Anbau von Hopfen. Daran erinnert u.a. der Weg Hopfengarten.
Für weitere Informationen zu Stötteritz siehe Denzer et al. 2015 ab Seite 307.
Station 1: Neuer S-Bahnhof Stötteritz zur Kartenansicht >>
Die vorgeschlagene Exkursionsroute beginnt und endet am neuen S-Bahnhof Stötteritz und soll auf Veränderungen in den einst dörflichen und gründerzeitlichen Vierteln aufmerksam machen. Die alten Eisenbahnanlagen der 1878 eröffneten Leipzig-Hofer Verbindungsbahn wurden Ende 2013 durch neue Gleise, eine Brücke über die Papiermühlstraße sowie eine Station im Zuge des neuen S-Bahnnetzes ersetzt. Das historische Bahnhofsgebäude von 1905 steht ungenutzt an der Papiermühlstraße.
Station 2: Medienhof Melscher Straße zur Kartenansicht >>
Östlich der S-Bahntrasse vollzieht sich im Bereich der Melscher Straße seit Mitte der 1990er Jahre die Umgestaltung eines Industrieareals, das nach 1900 planmäßig auf einem ehemaligen Flurstück, dem „Schwarzen Acker“, entstanden war. Das denkmalgeschützte, fünfgeschossige Eckgebäude, Melscher Straße Nr. 1 wurde 1994–1995 zum Medienhof für Betriebe der Medienbranche umgebaut. Der Bau war 1906 für die Kunstdruckanstalt Eschebach und Schäfer entstanden.
Weitere, nach Norden und Osten anschließende Flächen, werden gegenwärtig als ein 4,9 ha großes Gewerbegebiet neu vermarktet, gründerzeitliche Industriegebäude werden umgebaut.
Station 3: Naherholungsgebiet Stötteritzer Wäldchen zur Kartenansicht >>
Im Osten schließt sich mit dem Stötteritzer Wäldchen ein 14,5 ha großes Naherholungsgebiet an. Das Gelände hatte der damalige Rittergutsbesitzer und Buchautor Christian Felix Weiße (1726–1804) in der Aue der Östlichen Rietzschke unter Einbeziehung des einstigen Rittergutsteiches im Stil eines englischen Landschaftsparks anlegen lassen.
Station 4: Rittergut Stötteritz zur Kartenansicht >>
Der südliche Teil des Stötteritzer Wäldchens geht in das einstige Rittergut an der Oberdorfstraße über. Die Gutsanlagen blieben zu großen Teilen erhalten und bilden bis heute mit der gegenüberliegenden Kirche das kulturhistorisch wertvollste Bauensemble von Stötteritz. Beeindruckend ist der fast vollständig erhaltene Gutskomplex mit dem 1780–1790 errichteten barocken Herrenhaus, dem großen Gutshof und Wirtschaftsgebäuden sowie Teilen des alten Wassergrabens.
Das Gut, zur Unterscheidung von einem zweiten Stötteritzer Rittergut als das „Gut unteren Teils“ bezeichnet, war Mitte des 19. Jahrhunderts von der Stadt übernommen worden. Nach 1966 diente es als Lager für einen Industriebetrieb. Die desolaten Lager- und Wirtschaftsgebäude konnten nach 1990 im Rahmen des Sanierungsgebietes „Alte Ortslage Stötteritz“ erneuert und dem Verein zur Wiedereingliederung psychosozial geschädigter Menschen zur Nutzung übergeben werden. Das sanierte Herrenhaus wird seit 1992 als Wohnheim genutzt. Ein ehemaliges Wirtschaftsgebäude wurde zwischen 1993 und 1995 zum Begegnungszentrum des Vereins umgebaut.
Station 5: Ensemble um die Marienkirche zur Kartenansicht >>
Zwischen den beiden Gutsbereichen liegt die frühbarocke Dorfkirche, seit 1906 Marienkirche. Das Gotteshaus ist der einzige vollständig erhaltene barocke Kirchenbau Leipzigs. Nach Abriss eines Vorgängerbaus, erbaute Johann Christian Senckeisen 1702–1703 den schlichten, einschiffigen Saalbau mit abgesetztem Chorraum. 1712–1713 wurde der markante Westturm mit einer flachen Zwiebelhaube und Laterne hinzugefügt; ebenso das Hauptportal mit einer 1911 gut eingefügten Figurengruppe. Der Zugang zur Kirche liegt an der Lochmannstraße.
Ursprünglich stand an dieser Straße das höher gelegene Rittergut „oberen Teils“. Nach Abriss aller Gebäude des Guts zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurde die Fläche mit Mietshäusern bebaut. Der alte Friedhof an der Kirche wurde nach 1872 zur Grünanlage. Kirche und Grünanlage konnten nach 1990 saniert werden.
Station 6: Neues Ortsteilzentrum Holzhäuser Straße zur Kartenansicht >>
Südlich der alten Ortslage entstand zwischen der Holzhäuser- und der Schlesierstraße im Rahmen des Stadtumbaus 1996 auf einem ehemaligen Gewerbe-/Wohngebiet ein neues Stadtteilzentrum mit Wohnungen, Handel und Gastronomie.
Station 7: Gewerbegebiet Holzhäuser-/Kolmstraße zur Kartenansicht >>
Ebenfalls in der Umgestaltung befindet sich das östlich an der Holzhäuser Straße anschließende Gelände. Auf dem etwa 5 ha großen Industrieareal des ehemaligen VEB Geräte- und Reglerwerk entwickelt sich ein Gewerbegebiet, insbesondere für Betriebe der Elektronik und des Nachrichtenwesens.
Nach Südwesten, in Richtung Probstheida, gelangt man in Erweiterungsgebiete mit Siedlungen und Versorgungseinrichtungen vom Ende des 19. Jahrhunderts bis in die 1930er Jahre.
Station 8: Kommunales Wasserwerk zur Kartenansicht >>
An der Straße Am Wasserwerk weist der 1907 (damals auf der Flur von Probstheida) errichtete Wasserturm auf die Ende des 19. Jahrhunderts angelegte und heute von den Kommunalen Wasserwerken Leipzig betriebene und modernisierte Anlage der Trinkwasserversorgung der Stadt hin. Der unter Denkmalschutz gestellte 53 m hohe Wasserturm ist weiterhin in Betrieb und bildet eine weit sichtbare Landmarke.
Station 9: Gustav-Schwabe-Platz, Villenkolonie Marienhöhe zur Kartenansicht >>
Im Gebiet zwischen der Naunhofer, der Ludolf-Colditz-Straße (früher Connewitzer Straße) und der Marienbrunnenstraße begann nach 1896 ein planmäßiger Aufbau der „Villenkolonie Marienhöhe“. Neben Stadtvillen wurden auch begrünte Straßen und Plätze angelegt, wie der heutige Gustav-Schwabe-Platz.
Auf dem Platz ließen 1903 die Allgemeine Deutsche Creditanstalt und die Leipziger Immobilien Gesellschaft 7000 der beim Bau der Siedlung geborgenen kaltzeitlichen Gerölle (Findlinge) zu einer etwa 6 m hohen „Gletschersteinpyramide“ zusammen fügen. Das Umfeld wurde zur Grünanlage gestaltet.
Unser Weg führt uns durch die Ludolf-Colditz-Straße, die die Marienhöhe mit der Holzhäuser Straße verbindet.
Station 10: Magistrale der Gründerzeit zur Kartenansicht >>
Die Holzhäuser Straße ist eine der Magistralen von Stötteritz mit gründerzeitlichen Wohn- und Industriearealen. Der Bau des imposanten Rathauses (1900) als Eckgebäude zur Arnoldstraße war Ausdruck der Entwicklung zu einer der größten Landgemeinden Sachsens. Das Gebäude diente auch nach der Eingemeindung 1910 vorwiegend Verwaltungszwecken. In den letzten Jahren konnte es saniert werden.
Station 11: Dr.-Güntz-Park zur Kartenansicht >>
Auf dem Gebiet Thonberg/Stötteritz wurde 1839 eine „Heilanstalt für Geisteskranke“ errichtet. Der Dr.-Güntz-Park zwischen Güntz- und Schönbachstraße ist der Rest der dazugehörigen Parkanlage. An der Ruine des einstigen Wasserturms der Einrichtung erinnert eine Tafel an deren Begründer, den Arzt und Psychiater Eduard Wilhelm Güntz (1800–1880). Die psychiatrische Heilanstalt wurde bereits 1920 wieder geschlossen.
Station 12: Um den Weißeplatz zur Kartenansicht >>
Östlich des Parks schließen noch relativ geschlossene gründerzeitliche Wohnquartiere an. In der Weißestraße und der Unteren Eichstädtstraße finden sich denkmalgeschützte ehemalige Fabrikgebäude, die z.T. umgenutzt werden (u.a. Wohnanlagen in einer Schuhfabrik).
Am Weißeplatz steht das große Gebäude der 1894 eröffneten „Weiße-Schule“ und in der Arnoldstraße das ehemalige „Kaiserliche Postamt“.
Empfohlene Zitierweise
Luise Grundmann: “Stötteritz – Sanierung und Neugestaltung” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/exkursionen/78_e_535-stoetteritz/, Stand 15.06.2015
Quellen und weiterführende Literatur
- Vorschaubild: Stötteritzer Wasserturm mit Völkerschlachtdenkmalsbau, Ansichtskarte um 1908. IfL: PKL-Prob001
- Titelbild: © Mapbox © OpenStreetMap, Bearbeitung: Vera Schreiner (IfL)
- Brogiato, Heinz Peter (2009): Leipzig um 1900. Zweiter Band. Die Stadtteile in kolorierten Ansichtskarten aus dem Archiv des Leibniz-Instituts für Länderkunde Leipzig e.V. – Leipzig.
- Denzer, Vera; Dix, Andreas; Porada, Haik Thomas (Hrsg.) (2015): Leipzig: Eine landeskundliche Bestandsaufnahme. Landschaften in Deutschland, Bd. 78. – Köln.
- Heydick, Lutz (1990): Leipzig. Historischer Führer zu Stadt und Land. – Leipzig, Jena, Berlin.
- Hocquél, Wolfgang (2010): Leipzig – Architektur von der Romanik bis zur Gegenwart; 3. stark erweiterte Aufl. – Leipzig.
- Kunerl, Dietmar (2003): Stötteritz als Tabaksdorf. 2., verb. Aufl. – Leipzig.
- Poenicke, G.A. (Hrsg.): Album der Rittergüter und Schlösser im Königreiche Sachsen I. Section: Leipziger Kreis. Leipzig, um 1860
- Rüdiger, Bernd u. Thomas Nabert (1996): Stötteritz. Eine historische und städtebauliche Studie (hg. von Pro Leipzig e. V.). – Leipzig.
- Schwendler, Gerhild (2014): Stötteritz. Ein Leipziger Stadtteillexikon. (hg. von Pro Leipzig e. V.). – Leipzig.