Liebertwolkwitz – Gewerbliches Kleinzentrum im Südosten
Von Heinz Peter Brogiato – 06/2015
An einem wichtigen Handelsweg nach Leipzig gelegen, konnte sich Liebertwolkwitz zu einem ländlichen Kleinzentrum im Umland der Großstadt entwickeln. Die Exkursion führt durch den Ortskern, wo sich zahlreiche kleinstädtische Strukturen erhalten haben.
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Einleitung
Die ca. 10 km südöstlich des Leipziger Stadtzentrums gelegene Siedlung Liebertwolkwitz entwickelte sich früh zu einem Verkehrsknotenpunkt mit gewerblichem Charakter. Dadurch unterschied sie sich von den bis weit ins 19. Jahrhundert rein agrarisch geprägten Orten des Umlandes. Mit seinen Handwerksbetrieben und den zweimal im Jahr stattfindenden Märkten besaß Liebertwolkwitz einen kleinstädtischen Charakter und nahm zentrale Versorgungsfunktionen für den ländlichen Nahraum ein.
Während der Völkerschlacht 1813 war Liebertwolkwitz einer der Hauptkampfplätze. Der Ort wurde dabei nahezu vollständig zerstört, so dass man heute kaum noch ältere Bausubstanz vorfindet. Mehrere Denkmäler, Apelsteine und auch Straßennamen erinnern heute an die Ereignisse von 1813.
Für weitere Informationen zu Liebertwolkwitz siehe Denzer et al. 2015 ab Seite 315.
Station 1: Geschwister-Scholl-Schule zur Kartenansicht >>
Den besten Panoramablick über Liebertwolkwitz hätte man sicher vom 55 m hohen Wasserturm an der Muldentalstraße. Doch der 1903 errichtete Turm ist öffentlich nicht zugänglich.
Nur wenige Meter entfernt und zumindest leicht erhöht steht die Geschwister-Scholl-Schule, die durch ihre Lage am Angerteich zu den schönsten Schulstandorten in Leipzig zählt. Der gelbe Ziegelbau wurde 1889 von 532 Volksschülern bezogen, der Anbau des Ostflügels erfolgte 1901/ 1902 und diente zunächst als Mädchenschule, wie man der historischen Beschriftung entnehmen kann. Heute befindet sich im Gebäude eine Oberschule. Die neue Sporthalle von 1998 ist bereits die dritte Turnhalle der Schule; als weiteres Gebäude befindet sich eine Grundschule, 1979 als Plattenbau errichtet, auf der Anhöhe.
Die Vorgängerschule steht am Rand des Parks an der Jahnstraße (Nr. 1). Das Gebäude aus dem Jahr 1863 steht leer und macht einen verwahrlosten Eindruck.
Station 2: Kirche zur Kartenansicht >>
In der Kirchstraße befinden sich noch einige Gebäude aus dem 18. und 19. Jahrhundert, darunter das Pfarrhaus (Nr. 3). Die Kirche ist der älteste Bau in Liebertwolkwitz. Nachdem der Vorgängerbau bei einem Brand vernichtet worden war, wurde sie zwischen 1572 und 1575 errichtet. Später erfolgten mehrere Umbaumaßnahmen, zuletzt 1908 durch den bekannten Kirchenbaumeister Julius Zeißig (1855–1930).
Station 3: Rathaus zur Kartenansicht >>
Die Kirchstraße führt zum Liebertwolkwitzer Markt, neben dem Roßmarkt einer der beiden Siedlungskerne des alten Dorfes. Der Platz wurde 1998 neu gestaltet, alle Gebäude sind inzwischen saniert, vielfach wurde das Fachwerk frei gelegt. Auf dem Markt steht das Rathaus, das 1893/ 1894 in barocken Formen erbaut wurde. Daneben befindet sich das Teichmann-Denkmal. Es wurde 1900 errichtet und erinnert an den Rittergutsbesitzer Friedrich Teichmann, auf dessen Initiative 50 Jahre zuvor die Sparkasse Liebertwolkwitz gegründet worden war.
Der Markt wird gesäumt von mehreren ehemaligen Bauerngütern, deren Gebäude zum Teil aus dem ausgehenden 19. Jahrhundert stammen. Eine Baulücke existiert, wo bis zu seinem Abriss 2006 das Wohnhaus des bedeutendsten Hofs am Platz stand: der erstmals 1551 als Vorwerk des Stiftes Merseburg erwähnte „Herrenhof“ (Nr. 11). Seit 2011 kümmert sich ein Verein („Hofgenossenschaft Stiftsgut“) um die Erhaltung und Nutzung des Grundstücks und der Nebengebäude.
Auffallend am Liebertwolkwitzer Markt ist zudem eine Jugendstilvilla, die sich um 1901 der vormalige Besitzer des Herrenhofs errichten ließ.
Vom Markt aus führt die Teichmannstraße in Richtung Südosten. Die Bebauung mit Wohn- und Mietshäusern stammt noch vielfach aus der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. In einem stattlichen Klinkergebäude (Nr. 19) war einst das Postamt untergebracht.
Station 4: Bahnhof zur Kartenansicht >>
Dahinter biegt die kurze Bahnhofsallee ab, deren Bebauung mit Mietshäusern und Villen aus den 1890er Jahren stammt. Sie führt schnurgerade auf den 1887 eröffneten Bahnhof zu. Das Gebäude und die Bahnsteige stammen noch aus der Anfangszeit.
Nordöstlich des Bahnhofs liegt das Industriegebiet Liebertwolkwitz-Ost mit den Neuen Zahnradwerken Leipzig (ZWL) als größtem Arbeitgeber (450 Beschäftigte). Dieser Betrieb geht auf die 1935 hier gegründete Köllmann-Getriebebau GmbH zurück. In den Köllmann-Werken, deren Hauptbetrieb sich damals in der Torgauer Straße befand (heute Stadtarchiv), fanden zeitweise mehr als 1000 Beschäftigte Arbeit. Auf beiden Seiten war dieser älteste Industriebetrieb von Liebertwolkwitz umgeben von Abbaufeldern zweier Ziegeleien, die beide in den 1990er Jahren ihre Produktion einstellten.
Von der Teichmannstraße biegt die Seitenstraße ab, die durch ihre zumeist zweigeschossigen Häuser dem alten Dorfkern angehört. In der Brunnenstraße stehen dagegen große Mehrfamilienhäuser. Hier entstand auf dem Gelände einer ehemaligen Gärtnerei seit 1993 ein neues Wohngebiet. Die Seitenstraße wird von der Leibnitzstraße gequert, in der sich ein gründerzeitliches Gebäudeensemble mit dreigeschossigen Doppelhäusern befindet. Die Klinkerbauten wurden 1905/ 1906 errichtet.
Die Leibnitzstraße endet an der Muldentalstraße, die bis 2001 Leipziger Straße hieß und dem alten Handelsweg von Leipzig nach Grimma und weiter in den Osten folgt. 1823 erfolgte ihr Ausbau zur Chaussee, auf der seit 1841 die Postkutsche dreimal täglich zwischen Liebertwolkwitz und Leipzig verkehrte. Zwischen 1872 und der Eröffnung des Bahnhofs 1887 diente die Straße der Pferdeeisenbahn. Seit 1912 fuhr ein Omnibus im halbstündigen Takt nach Probstheida. Zwischen 1928 und 1971 war Liebertwolkwitz über die Leipziger Straße als Trasse der Linie 25 an das städtische Straßenbahnnetz angebunden. Entlang der Straße reihten sich früher Einzelhandelsgeschäfte und Gastwirtschaften, auch heute ist der Einzelhandel noch stark vertreten.
Station 5: Gasthaus "Zum schwarzen Ross" zur Kartenansicht >>
Der Kreuzungsbereich, wo die Kirchstraße, die Bornaer und die Güldengossaer Straße abzweigen, entwickelte sich zu einem neuen Ortszentrum. Hier steht das Gasthaus „Zum schwarzen Ross“, ein markantes Gebäude mit Treppengiebeln. Bereits 1610 wird an diesem Standort ein Ausspannhof erwähnt, den die Kaufleute auf ihrem Weg zur Leipziger Messe nutzten.
Schräg gegenüber vom Gasthaus steht an der Ecke Jahnstraße ein Gebäude, das 1826–1827 als Dorfschule („Kleine Schule“) errichtet wurde, ehe wenige Meter entfernt die Schule 1863 einen Neubau (Jahnstr. 1) erhielt.
Empfohlene Zitierweise
Heinz Peter Brogiato: “Liebertwolkwitz – Gewerbliches Kleinzentrum im Südosten” in Landschaften in Deutschland Online.
URL: http://landschaften-in-deutschland.de/exkursionen/78_e_511-liebertwolkwitz/, Stand 10.06.2015
Quellen und weiterführende Literatur
- Vorschaubild: Gesamtansicht Liebertwolkwitz vom Wasserturm aus gesehen, Ansichtskarte um 1910. IfL: PKL-Liebert009
- Titelbild: © Mapbox © OpenStreetMap, Bearbeitung: Vera Schreiner (IfL)
- Brogiato, Heinz Peter (2009): Leipzig um 1900. Zweiter Band. Die Stadtteile in kolorierten Ansichtskarten aus dem Archiv des Leibniz-Instituts für Länderkunde Leipzig e.V. – Leipzig.
- Cottin, Markus; Kretzschmar, Karl-Heinz; Kürschner, Dieter u. Ilona Petzold (2009): Leipziger Denkmale. Bd. 2 – Beucha.
- Denzer, Vera; Dix, Andreas; Porada, Haik Thomas (Hrsg.) (2015): Leipzig: Eine landeskundliche Bestandsaufnahme. Landschaften in Deutschland, Bd. 78. – Köln.
- Poser, Steffen (2008): Denkmale zur Völkerschlacht. – Leipzig.
- Stams, Werner (1956 / 57): Struktur und Entwicklung der Gemeinde Liebertwolkwitz bei Leipzig, in: Wissenschaftliche Zeitschrift der Karl-Marx-Universität Leipzig. Math.-Nat. Reihe 6, S. 109–156.